Erinnerungen an Rolf Wegener (1931-2020)

Anfangs der 1960er Jahre, Bremen, Baptistengemeinde Kreuzkirche, es ist Sonntag.
Der Gottesdienstraum ist gut gefüllt, auch die Empore. An den Seiten Gottesdienstbesucher, hinten neben der kleinen Orgel der Posaunenchor. Der hat vor dem Gottesdienst vom offenen Söller herab Choräle in die Nachbarschaft geblasen.
Vor den Bläsern sitzt der Chor der Gemeinde, und mittendrin, bei unseren Eltern, meine Schwester und ich. Es sind noch ein paar Jahre bis zur Einschulung.

Langweilig? Keineswegs! Es ist ja dauernd etwas los. Mal liest oder erzählt jemand etwas, mal singen alle, mal sind alle noch ein wenig stiller als sonst, weil gebetet wird, mal spielen die Bläser hinter uns, dann redet der Pastor etwas länger, auf der Kanzel stehend - Zeit, den Blick und die Gedanken schweifen zu lassen.

Und dann die Höhepunkte: Der Chor steht auf, davor steht der, der eben noch die Bläser geleitet hat. Er hebt die Arme und plötzlich singen die Sänger los! Für mich damals unerklärlich: Manchmal singen sie gleichzeitig unterschiedliche Worte, aber am Schluss passt es wieder! Und der da vorne wedelt währenddessen in der Luft herum, mal wild, mal ganz verhalten, und kommt sich dabei überhaupt nicht lächerlich vor! Und die Chorsänger stört das Wedeln scheinbar auch nicht.
Einige davon sind mir schon vertraut, der da vorne auch: Rolf Wegener. Mal mit der Posaune beschäftigt, auch mal mit der Orgel, und eben auch mit dem Löcher-in-die-Luft-schlagen. Damals hat das Dirigieren eines Gemeindechores für mich ein Gesicht und einen Namen bekommen: Rolf Wegener! Eine Prägung fürs Leben!

Nach Umzug und Gemeindewechsel und etwa eineinhalb Jahrzehnte später dann Teil zwei:
Der Chor der Alhorner Kantoreisingwoche gab sein Abschlusskonzert in der EmK Vegesack und sang im Sonntagsgottesdienst in der EFG Delmenhorst - beides war toll! Und weil ein guter Freund meinte, daß ich da auch mitmachen müsste, war ich im folgenden Jahr in Alhorn dabei und lernte Rolf als den Organisator, den ruhenden Pol, das Zentrum und die Antwort, wenn Fragen aufkamen, kennen, Mister Alhorn sozusagen. Dasselbe dann auch bei der jährlichen Chorleiterschulung im November. Alhorn, das war immer auch: Rolf Wegener.
In besonderer Erinnerung: Nach dem Mittagessen das 'Literarische Dessert', von Rolf serviert. Ob 'Katze mit Hut' oder Rudolf Otto Wiemer, ob 'Ottchen Alldag' oder Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer' , bevor es dann auf zum Spaziergang um die Fischteiche rum ging, oder zur notwendigen Mittagsruhe, denn abends wurde es in Alhorn auch schon mal spät.

So wurde über die vielen Jahre Alhorn aus dem Inbegriff des Chorleitens aus meiner Kindheit ein väterlicher Freund, der er sicher für viele war. Und bis er das Chorleiteramt in andere Hände legte, konnte ich noch einige Male unter ihm im Chor der Kreuzkirche mitsingen, wenn ich auf Heimatbesuch im Norden war und es sich so ergab. Auch hier einige bleibende Erinnerungen: An Heinrich Schützens Weihnachtshistorie (wenn auch nicht als Sänger, sondern als Trompeter) in der Aufführung zusammen mit den ebenfalls großen Gemeindechören von Vegesack und Lesum, wie auch an den Bremer Dom beim Abschlussgottesdienst der Allianzgebetswoche. Tolle Erlebnisse!

Vieles gibt es noch zu erzählen von diesem engagierten CS-Chorleiter, für den das Chorsingen Verkündigung war. Und deswegen - wie eine gute Predigt - nicht nur süß und wohlklingend sein sollte, sondern auch schon mal aufwühlend und unbequem sein durfte. So manche PER-Komposition hat er mit seinem Chor zum Klingen gebracht, die von einigen unserer Chöre nicht bewältigt oder verstanden wurde.

Am 28. Oktober hat der Himmlische Vater Rolf sanft zu sich gerufen und am 9. November durften wir - eine fünfköpfige Posaunenchorgruppe unter Leitung von Christian Worreschk - ihm auf seinem letzten irdischen Weg mit Chorälen und Bläserklängen das Geleit geben.

Lieber Rolf, Du warst so viel für so viele, Danke für alles! 


Text: Bernd Teßmer, Foto: privat

 

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